Guten Abend.
Ich beginne diesen Artikel mit einem Zitat, welches Sie bitte zunächst einmal in vollem Umfang auf sich wirken lassen:
Auch kurze Wortfolgen sind indes einem Urheberrechtsschutz zugänglich, wenn sie sich durch eine fantasievolle Wortwahl oder Gedankenführung von üblichen Formulierungen abheben.
(Zitat entnommen von http://www.jurpc.de/rechtspr/20110187.htm)
Sie sollen das auf sich wirken lassen, nicht einschlafen!
So, warum führe ich dieses Zitat an und was ist geschehen?
Nun, wie es der dumme Zufall so wollte (gibt es eigentlich auch intelligente Zufälle?), stieß ich gestern bei einem recht großen Onlinefeilbieter von Waren aller Art – nennen wir ihn mal MamaSohn – auf ein zu veröffentlichendes Neubuchwerk, dessen Titel frappierende Ähnlichkeit mit dem bestbesternten Tweet eines langjährigen Begleiters auf Twitter hatte.
Dergestalt überrascht widmete ich mich sofort der Beschreibung dieses Buches, in der Hoffnung, ebendieser Twitterer häbe womöglich seinen Einfallsreichtum einem interessierten Verlag unterjubeln können und würde nun nicht mehr aus Mülltonnen fressen und neben Kanaldeckeln schlafen müssen. Doch schon die ersten Zeilen belehrten mich eines Besseren, entdeckte ich dort noch mehr Bekanntes, allerdings von unterschiedlichen Homo Twitterus Sapiens.
Nun sprach ich mehrere dieser Autoren der lustigen Darbietungen darauf an, ob sie denn irgendetwas von der bevorstehenden Veröffentlichung ihrer Werke (Ja, ich nenne sie ganz bewusst so, siehe Eingangszitat) wüssten, und erntete eine Mischung aus Verblüffung und Wut über diese Entdeckung.
An dieser Stelle war mir klar, dass hier etwas ganz und gar nicht mit rechten Dingen zugeht. Sofort schnallte ich mir meinen Robin-Hood-Dildo um, hopste in mein Batsuit und bewaffnete mich mit Neugier und Interesse, um dem bösen Treiben auf den Grund zu gehen:
Ein Mensch – nennen wir ihn mal Hugo Tiefenhütten -, der wohl in irgendeiner Weise Beziehungen zu einem Boulevardblatt hat – nennen wir es mal BLÖD -, macht sich seit November vergangenen Jahres auf einer allseits bekannten Sozialmedienplattform – nennen wir sie mal Gesichtsbuch – den in höchstem Maße zweifelhaften Spaß, Zitate, Sprüche und originelle Satzkonstrukte zu sammeln und sie, mit einem jedem Menschen mit Sinn für Ästhetik die Zornesröte ins Gesicht treibenden „Design“ dem durchschnittlichen RTL-Zuschauer zur Belustigung zu präsentieren.
Das alleine wäre ja noch tragbar.
Auch dass hier Kalauer dazwischengestreut werden, die schon meinen Sohn mit 10 Jahren nur noch zu einem müden Arschrunzeln animieren, ist ok – betrachtet man die Zielgruppe. Nicht in Ordnung allerdings ist die Tatsache, dass Herr Tiefenhütten sich mangels eigener Fantasie sehr gerne nach Herzenslust bei der Twitterkonkurrenz bedient – selbstverständlich ohne Genehmigung und ohne den Originalverfasser zu informieren oder zumindest zu erwähnen. Aber gut, selbst hier kann man schon mal ein Auge mit einem beliebigen Gegenstand eindrücken und mit dem zweiten darüber hinwegsehen. Dann lacht halt, wenn ihr könnt.
Jetzt hat Herr Tiefenhütten aber ja wie erwähnt Beziehungen zu dieser BLÖD. Und diese wiederum hat Beziehungen zu einem Verlag. Gute Beziehungen, möchte man meinen. Möglicherweise sogar sehr intime, Zungen in Rosettenbereichen sind hier wahrscheinlich nicht ausgeschlossen.
Jetzt dachte sich Herr Tiefenhütten: „Ganze 300.000 Lemminge lachen sich mittlerweile über meinen gestohlenen Content ein Knie ins Ohr – jetzt will ich auch was daran verdienen – wozu mach ich denn die ganze Scheisse hier?“
Also beschloss er, dem Verlag ein Manuskript in die Rosette zu schieben, damit dieser daraus ein Buch formt und dem grenzdebilen Gehirnflatulent auf der Straße, der zu blöd ist, selbst online zu agieren, schnieke 7,99 € dafür abzuluchsen, dass er vielleicht auch mal wieder was zu lachen hat.
Der Verlag wiederum dürfte bei 300.000 tumben Gesichtsbuchfans, die das Ding aus Sympathie möglicherweise auch kaufen, sofort den nächsten Teneriffaaufenthalt vor Augen gehabt haben, und dementsprechend dürfte der Dialog zur Herkunft der Sprüche etwa wie folgt gewesen sein:
„Hahahahaha. haha. Ha. Sehr witzige Sachen stehen da in Ihrem Manuskript! Die sind doch alle -hahahaha, zu komisch, hahahahah – von Ihnen, Herr Tiefenhütten, hahaha, oder? Hahah.“
„Natürlich. Ich habe die alle eigenhändig eingesammelt, die sind mir Abends beim drölften Bier in meiner Stammkneipe nur so aus dem Schädel in mein Notebook geflutscht. Ich musste nur noch mein Copyright drauf machen und fettig is die Soße, wa? Haha.“
„Na dann is ja alles Tutti, hahaha. Tutti Frutti!“
„Ja, das versichere ich Ihnen.“
Nur leider war da gar nix Tutti Frutti. Jetzt mal ernsthaft:
Der Typ hat nachweislich alles bei Twitter eingesammelt, was zwischen heute und vor 2 Jahren als besonders originell und witzig gefeiert wurde, das Ganze mit 08/15 Klosprüchen von vorm Krieg gemischt (entweder, damit es nicht auffällt, oder damit der eingangs erwähnte grenzdebile Leser zwischen den schwierigen Passagen auch mal lachen kann) und wollte das tatsächlich ohne jeden Hinweis auf die eigentlich verantwortlichen Verfasser (und ohne diese in irgendeiner Form am Gewinn zu beteiligen) auf den Markt werfen.
Glücklicherweise hat er aber seine Milchmädchenrechnung ohne Twitter (und, ohne mich großartig selbst loben zu wollen, auch ohne mich) gemacht. Ich bin nämlich flugs zu MamaSohn geglitten und habe im Forum lautstark über diesen kackdreisten Bereicherungsversuch gemeckert. Meiner Gefolgschaft bei Twitter liess ich den Link hierzu zukommen, welche selbigen in Windeseile weiterverbreitete. Die bestohlenen Schreiberlinge bei Twitter taten ihr Übriges dazu. Der Rest wird von unseren Enkeln wohl einst als Shitstorm Galore Deluxe Plus beschrieben werden, denn es hagelte auf MamaSohn sowie der Gesichtsbuchseite des Verlages sofort Entrüstungskanonaden aus allen Rohren.
Nun, spätestens an dieser Stelle möchte ich nochmal auf das Eingangszitat verweisen, denn natürlich wurde seitens der Befürworter dieser Veröffentlichung sowie seitens der weniger enthusiastischen Mitglieder bei Twitter und Gesichtsbuch argumentiert, bei den Sprüchen könne es sich ja wohl kaum um urheberrechtlich schützenswerte Werke handeln, und zudem habe man ja mit der Veröffentlichung bei Twitter einer beliebigen Verwendung zugestimmt. Allerdings ist das leider (also, für Herrn Tiefenhütten leider) so nicht ganz richtig, wie man an verschiedenen offiziellen Stellen im Internet durchaus erfahren kann. Richtig ist, dass man sich hier in einer Grauzone bewegt, bei der im Einzelfall wohl erst ein Rechtsstreit eine Klärung bringt. Falsch jedoch ist, dass jeder jeden x-beliebigen Tweet bei Twitter einfach nehmen, in ein Buch packen, mit einem eigenen Copyright versehen und dann gegen Zaster veräußern darf.
Auch der Verlag – nennen wir ihn mal Arriva – hat nach über 200 Kommentaren zum Thema Plagiatsversuch des Herrn Tiefenhütten auf seiner Gesichtsbuchpräsenz wohl dann einen Einblick über die zu erwartende Empörungs- und Klagewelle bekommen, sollte dieses Schmuddelprodukt tatsächlich in den Verkauf gelangen – und hat erst mal vorsichtig zurückgerudert.
Aktuell heisst es, man werde mit der Auslieferung erst beginnen, wenn Herr Tiefenhütten sämtliche strittigen Urheberrechtsverletzungen vollständig entkräften kann. Für mich heisst das: Das Buch KANN nicht mehr ausgeliefert werden.
Und so hätten wir an dieser Stelle dann tatsächlich einen Sieg der Gerechtigkeit über die Habgier erreicht. Ich hoffe, das bleibt auch so und werde das Geschehen weiter beobachten und kommentieren.
Bleiben Sie dran.