Hallo.
Gestern habe ich die Twittergemeinde mit einem Luxusproblem „konfrontiert“, das uns (als Familie) schon eine ganze Weile beschäftigt. Es ging darum, dass meine bessere Hälfte seit dem Besuch beim Neurologen wegen häufigem Kopfweh den Ratschlag mit sich herumträgt, sich mehr aktiv zu bewegen, um so eben weniger oft mit diesen Schmerzen geplagt zu werden. Jetzt will man sich ja aber nicht unbedingt ständig irgendwo alleine mit Joggen oder ähnlichem herumplagen, wenn der Partner zeitgleich zur Gewichtsregulierung sehr regelmäßig Fahrrad fährt. Da liegt es einfach nahe, dass man sich dem anschließt. Finden wir jedenfalls.
Das geht aber eben auch nur dann, wenn man ein Fahrrad besitzt, und zwar möglichst eines, das den Namen Fahrrad auch irgendwie verdient.
Klar, Sie hatte ein Fahrrad, das eigentlich ganz okay war soweit – für diesen Zweck. Aber wie es das Schicksal so will, musste ich auf mein altes Rad ausweichen, als das neue zur Inspektion war. Das bedeutete zeitgleich, dass Junior statt meines alten Fahrrades mit dem meiner Holden unterwegs sein musste. Jener aber, von pubertärem Denken geplagt, hatte irgendwie ein Problem mit der rosa Farbe des Lacks. In seinen Augen war das einfach nur peinlich für ihn, wenn er mit eben diesem Rad zum Handball sollte. Scheinbar wurde er dafür auch ausgelacht von seinen Sportsfreunden – wie Kids in dem Alter eben so sind. Junior ist wie alle pubertären Jungs recht sensibel, wenn es um die Wahrnehmung von fehlender Coolness seinerseits geht, und so kam es wohl, dass er das Rad beim Handballtraining eben nicht mit in die Halle genommen, sondern draussen vor der Halle stehen lassen hat. Unabgeschlossen, weil um das Schloß mitzunehmen muss man ja daran denken, das Schloß mitzunehmen. Keine leichte Aufgabe für so eine Hormonschleuder. Sie kennen das.
Da kam dann – Murphy lässt grüßen – jemand vorbei, dem es wohl nicht peinlich war, eine fremde bewegliche Sache mit rosa Lackierung in der Absicht an sich zu nehmen, um sich diese anzueignen. Und Zack, war das Rad meiner Frau weg.
Mein altes Rad ist übrigens für sie keine Option, da die Rahmenhöhe ihr sämtliche Möglichkeiten nimmt, unfallfrei aufzusteigen, abzusteigen oder an einer Ampel die nötige Wartezeit ohne Zwischenfälle zu überstehen. Das nur, falls diese Frage im Raum steht. Sie dürfen sie nun umwerfen.
Tja, dahin die Idee vom Radfahren. Doch Moment, ein Hoffnungsschimmer tat sich auf: unsere Nachbarin besaß ja noch ein Fahrrad, mit dem sie mindestens seit unserem Einzug keinen Zentimeter gefahren ist. Und sie bot an, es herzuschenken für diesen Zweck. Freude!
Die allerdings nur von kurzer Dauer war: der Lenker, eine metallgewordene Version eines derangierten Doppel-D-Büstenhalters, führte in sämtlichen Sitzpositionen nach 10 Minuten Fahrt zu eingeschlafenen Handballen. Für einen besseren Neigungswinkel desselben reichte die Länge der Brems- und Schaltzüge nicht aus. Kein Problem, denkt der Alte: kaufe ich eben einen neuen Lenker. Gesagt getan. Hat nur dem Problem der zu kurzen Züge auch keinen Abbruch getan. Und beim Versuch, das irgendwie so hinzukriegen, dass es doch noch passt, verabschiedete sich die Schaltung der vorderen Ritzel in die Menge der Bestandteile, die man üblicherweise in einem Überraschungsei zum Zusammenbau irgendeines Figürchens vorfindet. Den Rest erledigten verrostete Bremsen. Fazit: ein netter Gedanke, aber leider Schrott.
Eigentlich hilft an dieser Stelle wirklich nur noch ein neues Fahrrad. Das schüttelt eine Familie mit 2 Kindern und 1,5fachem Einkommen aber halt nicht einfach so aus dem Ärmel, ohne dafür an anderer, deutlich wichtigerer Stelle gravierende Einsparungen vorzunehmen. Auch dann nicht, wenn einem die Fernsehwerbung von Fahrrad.de suggeriert, dass man mit einem wundervoll geringen Betrag von gerade mal 229 Euro zum Besitzer eines passablen Rades wird.
Nachdem diese Werbung nun mindestens 20x auf mich einprasselte und die Frau mit jedem Mal ein deutlicheres „DAS wäre doch ein Fahrrad für mich! Das würde mir gefallen“ von sich gab, kam ich irgendwann an den Punkt zurück, an dem sie MIR ermöglichte, mein Traumrad zu bekommen – an die Sammelaktion, die sie dafür in die Wege leitete. Und daran, wie gut das geklappt hatte, wie viele Menschen die Idee super fanden und wie groß die Beteiligung war. Und ich fragte mich, warum das bei ihr anders sein sollte.
Ich war mir unsicher, ob ich die Großzügigkeit mancher Menschen überstrapaziere. Ob ich tatsächlich nochmal bei Twitter fragen möchte, ob jemand was dazu beisteuern würde. Nicht aus Angst vor jenen, die jede Gelegenheit nutzen, auf irgendjemanden oder irgendeiner Idee herumzuhacken, die in ihren Augen minderwertig ist. Die sind und waren mir schon immer egal, zumal sie kein Teil meines Lebens sind. Es war mehr so die Frage, ob ich die, die mir schon mal finanziell unter die Arme gegriffen haben, nochmal um eine Spende bitten möchte. Ja, ich habe ein Gewissen. Ich habe eine ganze Weile darüber nachgedacht und kam dann zu dem Ergebnis:
„warum eigentlich nicht? Fragen kostet nix.“
Und Sie beweisen mir in nur 2 Tagen, dass Sie nicht nur damit umgehen können, wenn jemand um Geld fragt. Sie beweisen mir auch, dass Sie für einen Zweck, der nicht zwingend ihrer Vorstellung von Hilfsbedürftigkeit entsprechen muss, trotzdem gerne geben. Weil Sie es können, weil Sie gerne eine Freude bereiten und vor allem, weil Sie es wollen. Keine 24 Stunden später ist das Geld für das Fahrrad zusammen – und ich bin mir sicher, niemand der Spender fühlte sich dazu genötigt, mitzumachen. Und keinem davon tut es irgendwie weh.
Darum an die ewigen Kritiker da draussen:
Es ist ein schmaler Grat zwischen fragen und betteln, das ist wahr.
Für mich liegt aber die Unterscheidung in einem ganz wichtigen Detail: ich habe niemanden dazu gedrängt, uns Geld zu geben. Ich habe gefragt, ich habe eine Möglichkeit der Beteiligung geschaffen und den Rest Ihnen überlassen. Ich habe kein Horrorszenario aufgezeichnet, keine unlösbare Situation dargestellt, mit der wir nur mit Ihrer Hilfe wieder klar kommen. Ich habe nicht an Ihr Mitleid appeliert. Stattdessen habe ich knapp umrissen, um was es geht, was wir gerne möchten und wie Sie dazu beitragen können – wenn Sie wollen.
Nichts daran erscheint mir falsch.
Vielleicht sollten wir ganz allgemein alle viel öfter fragen, wenn wir einen Wunsch hegen und ein bisschen weniger versuchen, alles auf eigene Faust zu erreichen. Und nicht jeden, der nach Hilfe fragt, als Schmarotzer betrachten.
Könnte helfen.