es ist schon seltsam, wie oft mir Menschen begegnen, die nicht in der Lage sind, Worte nicht nur an ihren tatsächlichen Bedeutungen zu messen, sondern sich darüberhinaus die Zeit und Muße nehmen zu können, zu erkennen, welcher Eindruck, Spielraum und welche Fülle von Emotionen eigentlich hinter ihnen steckt. Es ist genauso einseitig, dies zu tun, als würde man eine Fremdsprache einfach nur wörtlich ins Deutsche übersetzen – die eigentliche Bedeutung, das Ziel der Wortwahl geht verloren.
Das Wort ist zunächst einmal ein Stilmittel der Kommunikation. Es dient dazu, sich verständlich zu machen. Aber eben dieses verständlich machen funktioniert auch nur dann, wenn sich der Gesprächspartner auch dazu bereiterklärt, zu verstehen.
Wozu benutzen wir Wörter?
Wir drücken aus, was wir sehen, hören, riechen, schmecken, ahnen, verstehen, nicht verstehen, wissen, nicht wissen, glauben, nicht glauben, welche Eindrücke und damit verbundene Emotionen wir täglich erhalten und weitergeben möchten.
Schreit das nicht aber völlig danach, nicht nur gehört und spontan ausgelegt zu werden? haben Worte ihr Ziel nicht verfehlt, wenn als Reaktion darauf eine einseitige Interpretation und somit Unverständnis folgt?
Ich denke schon.
Spontane, unüberlegte Worte drücken manchmal eine ebenso einseitige Auslegung aus; dennoch werden ihnen seltsamerweise dann oftmals verschiedene Bedeutungen zugeschrieben.. paradox, wie ich finde.
Das geschriebene Wort in einem ernstgemeinten Brief jedoch darf nicht spontan bewertet und abgehakt werden. Es verlangt danach, gelesen zu werden, es auf sich wirken zu lassen, dann nochmals gelesen zu werden und vor allem sinnlich hinterfragt zu werden. Zwischen den Zeilen zu lesen ist eine Tugend.
Denn ich zum Beispiel lasse mir sehr viel Zeit damit, die Wahl zu treffen, die am ehesten all meine Eindrücke, Erfahrungen und Wertungen möglichst genau in Worte fasst und dennoch einen Spielraum offenlässt.
Doch egal wie lange und intensiv man sich darum bemüht, Worte sind ein Flaschenhals, man zwängt alles in Sätze um es zu transportieren, und es muß am anderen Ende wieder in die ausgedrückten Emotionen umgewandelt werden; es funktioniert mit Worten wie mit einer Pflanze: man streut Samen und erwartet, daß durch entsprechende Pflege die Pflanze entsteht, die man vorzufinden erwartet.
Worte sind wie ein Bild, das man per Modem verschickt: es ist jetzt und hier präsent, dann wird es in kleine, transportierbare Häppchen umgewandelt, an die Gegenstelle gesendet und dort wieder so zusammengesetzt, daß genau dieses Bild für das Gegenüber sichtbar wird.
Zumindest möchte man das erreichen.
Leider vermischen sich beim Gegenüber durch eigene Vorstellungen die Farben derart, daß das Bild dann schwarz wird.
Ich habe die letzten Tage sehr viele Briefe an eine Person geschrieben, und immer wieder feststellen müssen, daß die Bereitschaft, diese Worte so zu verstehen, wie sie gemeint waren, entweder nicht vorhanden ist oder sie dazu nicht fähig ist.
Also werde ich nun damit aufhören, mich dieser Person weiter zu erklären. Nicht, weil es mir nichts bringt, nicht weil ich aufgebe, sondern einfach aus der Tatsache heraus, daß durch einzelne, offenbar nicht verstandene Sätze der Inhalt der kompletten Briefe in den Hintergrund gedrängt und nicht mehr empfangen wird.
Und ein Stück weit auch deshalb, weil keines meiner geschriebenen Worte auf die selbe, in sich selbst hineinhorchende Weise schriftlich beantwortet wurde.
Einen Brief zu schreiben heißt, sich mehr damit auseinanderzusetzen als wenn man „nur“ darüber spricht. Tiefer in sich zu wühlen, um die richtigen Worte zu finden. Situationen auszuleuchten und sie aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten.
Mit jedem geschriebenen Wort lernt man mehr über sich und seine tatsächlichen Ansichten kennen – und das verlangt nach dem Respekt und dem Willen des angeschriebenen, darauf genauso intensiv einzugehen und die Worte wirken zu lassen, anstatt sie nur zu konsumieren.